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18.04.2025

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf im RPR1. Interview zu den Kirchenaustritten und der sinkenden Bedeutung kirchlicher Feiertage

Inzwischen sind mehr Menschen in Deutschland ohne Konfession als Mitglied in einer Kirche zu sein. Ein Grund für RPR1. Moderator Uwe Burkert, hier einmal beim Mainzer Bischof Prof. Dr. Peter Kohlgraf konkret nachzufragen,

wie die Kirchen darauf reagieren und welche Lösungen sie haben, sowie die fortschreitende Diskussion über die Bedeutung kirchlicher Feiertage in der heutigen Gesellschaft.

Frage RPR1.: Wie sehen Sie solche Zahlen und wie reagieren die Kirchen darauf?

Peter Kohlgraf: Wir leben in einer Gesellschaft, die zunehmend säkular ist, sagen wir. Gott ist kein Thema für sie. Das nehme ich erst mal zur Kenntnis. Ich merke etwa, was die Bindungskräfte an die Kirchen angeht, aber auch an andere Institutionen in dieser Gesellschaft, dass die Fäden dünner werden. Viele, denen etwas nicht passt, sind sofort raus und da weiß ich nicht, ob das die beste Lösung ist. Verändern kann ich nur etwas, wenn ich dabei bleibe. Trotzdem sage ich, das ist unsere Realität und ich halte es nicht für nur schlecht, dass sich kirchliche Positionen heute auch in dieser Gesellschaft begründen müssen. Ich halte das nicht nur für schädlich.

Frage: Glaube und Kirche spielen für Menschen offenbar keine Rolle mehr in ihrem Leben. Ist die Kirche zu weit weg vom Leben der Menschen? Oder was fehlt da konkret?

P.K.: Das macht mich auch ein Stückchen ratlos, weil ich glaube, dass wir eine gute Botschaft haben, nämlich die Botschaft des Lebens. Du bist geliebt, du bist in diese Welt gestellt mit einer Verantwortung, du bist Kind Gottes und andere Menschen eben auch und da gilt es, Gemeinschaft zu gestalten. Trotzdem meine ich, dass wir oft nicht die richtige Sprache finden, aber auf der anderen Seite helfen wir natürlich auch nicht, wenn wir uns nur nach Bedürfnissen der Menschen richten, nach dem, was sie hören wollen. Das ist, glaube ich, auch immer eine Abwägung, inwieweit Kirche auch widerspenstig sein muss, aber eben auch eine Sprache spricht, die einladend ist und Menschen nochmal zum Nachdenken bringt.

Frage: Sie haben die Sprache angesprochen. Wie meine Sie das: Die Menschen verstehen die Sprache nicht mehr?

P.K.: Es gibt wahrscheinlich auch eine theologische oder innerkirchliche Fachsprache, will ich mal sagen, mit der Menschen nichts mehr verbinden. Ich sag mal so: Begriffe wie Gnade, wie Erlösung, das sind Themen, die sind das Zentrum, die gehen ins Herz des Christentums. Aber was bedeutet das konkret für mein Leben? Wie kann ich das in mein Leben übersetzen? Das ist, glaube ich, die Aufgabe, die wir heute als Kirche haben, das gut zu kommunizieren und das geht wahrscheinlich nur über persönliche Zeugnisse, die ich geben kann, die Menschen geben können.

Frage: Jeder und jede Einzelne ist also gefragt, über seinen/ihren Glauben zu sprechen. Statt sich hinter Worthülsen zu verstecken. Gibt es ein Rezept gegen die nachlassende Kirchenbindung?

P.K.: Also wenn ich dieses Rezept hätte, wäre ich glaube ich nicht mehr ernst zu nehmen. Denn dieses eine Rezept gibt es nicht. Dafür ist die Welt zu kompliziert, dafür sind die Menschen zu komplex, dafür sind die Themen zu differenziert. Die einfache Lösung gibt es nicht. Ich glaube dann wäre ich mal auf der Seite der Populisten. Das ist deren Konzept, dass es für komplizierte Fragen einfache Lösung gibt. Und die gibt es in der Kirche auch nicht.

Frage: Trotzdem gibt es Versuche, neue Wege zu gehen. Initiativen, die etwas ausprobieren - einmal etwas anders machen. Wie sehen Sie so etwas?

P.K.: Das muss man haben, und da darf auch mal etwas schiefgehen. Es geht glaube ich nicht nur darum, Kirche zu retten. Das wäre die falsche Frage. Ich glaube, dass die wichtige Frage ist, wie kriegen wir die gute Botschaft kommuniziert? Wie kriegen wir Menschen mit Gott in Berührung, der uns liebt, der uns Leben gibt? Das ist die eigentliche Frage. Was das dann statistisch für Kirche bedeutet, das wird die Zeit erweisen, es wird uns auch in tausend Jahren noch geben. Da bin ich ziemlich gelassen.

Frage: Die Diskussion um kirchliche Feiertage kommt immer mal wieder auf. Auch weil immer weniger Menschen Mitglied einer Kirche sind. Wie stehen Sie dazu?

P.K.: Also in den ersten Jahrhunderten der Kirche waren auch die großen christlichen Feiertage keine staatlichen Feiertage. Christen haben dann gearbeitet. Aber natürlich ist es auch ein Gewinn für eine Gesellschaft, dass es Feiertage gibt, wo der Mensch mal nicht nach Nutzen und Zweck bewertet wird, sondern wo er einfach seine Zeit genießen kann und für mich, und ich denke, für viele Menschen, sind es eben auch Tage, wo sie ihren Glauben feiern, wo sie ihren Glauben und Gemeinschaft leben. Das ist für das Menschsein wahrscheinlich genauso wichtig wie gutes Arbeiten, und es wäre eine Geringschätzung dieser Seite des Menschseins, wenn das nicht mehr möglich wäre.

Das vollständige Interview wird am Ostersonntag in der Sendung RPR1. Einfach himmlisch zwischen 6.00 und 10.00 Uhr ausgestrahlt.

Quelle Audiotainment Südwest GmbH & Co. KG