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31.12.2018

Alles Neue bleibt ein Wagnis - Schritte zu „Pfarreien der Zukunft“ werden im Januar vorgestellt

Trier (red/boß) „Alle Schritte ins Neue bleiben ein Wagnis.“ Das hat Bischof Dr. Stephan Ackermann an Silvester 2018 betont. Christinnen und Christen dürften und könnten diese neue Schritte in Gelassenheit und Klarheit gehen.

Denn Gott selbst gebe seine Zusage, dass er sich durch die Menschwerdung in Jesu Christi endgültig und unwiderruflich an diese Welt gebunden hat. Davon Zeugnis zu geben, sei wesentlich Aufgabe der Christen. „Und wir können es mit dem Selbstbewusstsein tun, von dem der Hebräerbrief geprägt ist: einem Selbstbewusstsein, das sich von Gott gekannt, geliebt und gebraucht weiß und gerade deshalb andere nicht an die Wand spielen muss“, sagte Ackermann.
Der Bischof entwickelte in der Silvesterpredigt im Trierer Dom seine Überlegungen zur „christlichen Endzeitstimmung“ aus der Weihnachtspredigt weiter und erinnerte an verschiedene Phänomene wie den zunehmenden Nationalismus und das nachlassende Bekenntnis zur europäischen Gemeinschaft oder an einen verstärkten Populismus und die zunehmende Polarisierung von Auseinandersetzungen. Er könne durchaus verstehen, dass bei manchen Menschen Endzeitstimmung aufkomme: „Ererbte Vorstellungen, unerschütterlich geglaubte Institutionen, gesellschaftliche Systeme, vertraute Bilder sind dabei, unterzugehen, oder zerbrechen regelrecht vor unseren Augen.“
Weltliche Endzeitstimmung schaue vor allem zurück und bleibe damit hängen an dem, was vergeht. Und auch in der biblischen Vorstellung von der Endzeit zerbreche Bestehendes: „Aber das ist für den gläubigen Menschen auch nicht verwunderlich. Denn für ihn sind die Verhältnisse, in denen er lebt, ohnehin vorläufig. Sie bestehen nicht ewig. Diese Einsicht kann traurig stimmen, und man darf durchaus über den Verlust von Vertrautem und Liebgewonnenem trauern!“, sagte Ackermann. Aber das Zergehen von Bestehendem könne auch froh machen und freier; besonders dann, wenn Menschen unter den Verhältnissen zu leiden haben, in denen sie leben müssen. So sei es „gut und richtig, wenn auch die dunklen Seiten der Kirche ans Licht kommen, und wenn überkommene Kirchenbilder zerbrechen, die nicht mehr der Realität entsprechen – ihr vielleicht nie entsprachen“, betonte Ackermann: Das gelte gerade auch mit Blick auf die Aufarbeitung der Verbrechen durch sexuellen Missbrauch im Raum der Kirche. „Das ist einerseits schmerzlich und enttäuschend, aber es verhilft doch zu mehr Wahrhaftigkeit und Wahrheit. Vergessen wir nicht: Oft genug waren der verschwiegene Schmerz und die stille Enttäuschung der Opfer der Preis für das strahlende Bild von der Kirche: Ein hoher, ein zu hoher Preis.“
Auch beim kirchlichen Leben in den Pfarreien, Gemeinschaften, Gruppen und Einrichtungen im Bistum gehe es um eine größere Wahrhaftigkeit: „Wir müssen mehr noch als bisher zugeben, dass Schein und Sein, Festtag und Alltag allzu oft dramatisch auseinanderklaffen.“ Zwar sei die Volkskirche in manchen Bereichen langlebiger als gedacht. „Ohne Bestehendes mutwillig zu zerstören, heißt es aber auch hier, uns noch ehrlicher zu machen und die Wirklichkeit anzunehmen. Dazu brauchen wir die Vokabel von der Endzeit nicht zu scheuen“, erklärte der Bischof.
Mehr als bisher sollen in den neuen Pfarreien die verschiedenen Orte und Formen von Kirche miteinander vernetzt werden. Der Blick soll sich über den kirchlichen Binnenraum hinaus auf das soziale Miteinander der Menschen richten. Ackermann erinnerte daran, dass in den vergangenen Monaten Gruppen aus Ehren- und Hauptamtlichen, Experten und Praktikern sich mit der konkreten Umsetzung der Synoden-Beschlüsse befasst haben. Sie hätten darüber beraten, welchem inneren Bild die haupt- und ehrenamtlich Tätigen in den Pfarreien der Zukunft folgen sollen; wie damit die von der Synode beschlossenen Perspektivwechsel umzusetzen sind; wie etwa eine diakonische Ausrichtung der Pfarrei und wie Leitungsverantwortung im Team gelingen können. Schließlich sei es darum gegangen, welches die angemessenen Formen von Organisation und Verwaltung in Pfarreien und Bistum sind. Ein wichtiges Ziel sei, das Ehrenamt in den zukünftigen Pfarreien „zu stärken, es wirksam zu unterstützen und dadurch möglichst attraktiver zu machen“.
Für ihn als Bischof sei das Zielbild für die Pfarreien dadurch klar geworden. „Wie wir im Laufe des kommenden Jahres und dann ab Beginn des Jahres 2020 die weiteren Schritte auf die Pfarreien der Zukunft hin konkret setzen, werden wir am 10. Januar 2019 dem Bistum und der Öffentlichkeit vorstellen.“ Ackermann betonte, man werde nicht alles im Vorhinein beschreiben und bestimmen können. „Erst im Gehen werden wir mehr Klarheit darüber gewinnen, was gangbar ist und was geht, wo es weitere Präzisierungen und möglicherweise auch Nachjustierungen oder gar Korrekturen braucht.“ Dass Neues ein Wagnis sei, habe schon die Überschrift des Synodendokuments angedeutet: „Schritte in die Zukunft wagen“, heißt es dort. „Was am Ende der Synode poetisch und vielleicht etwas euphorisch klang, zeigt sich nun in einem tiefergehenden Sinn.“
„Christliche Endzeitstimmung ist eine Stimmung voller Hoffnung, ausgestattet mit Selbstbewusstsein und Lebensstärke“, ermutigte Ackermann die Gläubigen. In diesem Bewusstsein zu leben, helfe, zu unterscheiden zwischen dem, was bleibt und wofür einzusetzen es sich lohnt, und dem, was vorläufig ist und vergeht. Damit wolle er die geschenkten Gaben und Mittel dieser Erde nicht abwerten, sagte der Bischof. „Aber es gibt ihnen den Platz, der ihnen zukommt: Die zeitlichen Güter und Möglichkeiten, die wir haben, sollen uns helfen zu leben. Sie sind Mittel, nicht Zweck. Damit gibt ein endzeitliches Bewusstsein uns zugleich ein Kriterium zur kritischen Selbstüberprüfung. Es hilft uns nämlich, zu erkennen, woraus wir leben: Ist es in der Tiefe unserer Existenz Gottes Zusage und Gottes Kraft, oder ist es letztlich doch nur das Vertrauen in unsere eigenen Kräfte, eigenen Ideen und Strategien?“ Diese Frage gelte im Blick auf das kirchliche Leben im Bistum ebenso wie im Blick auf das persönliches Leben.

BIP