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26.09.2018

Eine Bilanz: Sexueller Missbrauch im Bistum Trier

Trier (red/boß) Über die Aufarbeitung und die Präventionsmaßnahmen bezüglich sexuellem Missbrauch durch Kleriker im Bistum Trier informierten der Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg und Mitarbeiter anlässlich einer Pressekonferenz

Seit 2010 meldeten sich 140 Personen beim Bistum Trier, die 75 Priester beschuldigten, davon 42 bereits verstorbene und 33 noch lebende Priester. Bei den Fällen verstorbener Priester sind Ermittlungen nicht mehr möglich, jedoch wurden Plausibilitätsprüfungen durchgeführt und finanzielle Leistungen in Anerkennung des Leids bewilligt. Auf Ebene des Bistums sind alle kirchenrechtlichen Voruntersuchungen gegen noch lebende Beschuldigte abgeschlossen. Ein Priester wurde laisiert, zwei Priester wurden aus dem Klerikerstand entlassen und ein weiterer auf eigenen Antrag entlassen, sieben Priester mit einem öffentlichen Zelebrationsverbot belegt und in einem Fall hat die römische Glaubenskongregation ein gerichtliches Strafverfahren angeordnet. In weiteren Fällen wurden zeitliche Zelebrationsverbote oder Disziplinarmaßnahmen verhängt; in acht Fällen ließ sich der Missbrauchsvorwurf nicht bestätigen. Von 104 Anträgen auf finanzielle Anerkennung des Leids wurden 96 bewilligt, insgesamt zahlte das Bistum aus Mitteln des Bischöflichen Stuhls 475.500 Euro an die Betroffenen. Darüber hinaus können auch Therapiekosten übernommen werden; hier hat das Bistum bislang bei 12 Betroffenen rund 69.000 Euro gezahlt. Wo möglich, fordert das Bistum die finanziellen Leistungen von den Tätern zurück.                                                                
Der Generalvikar betonte, es gebe angesichts dieser Zahlen kirchlicherseits nichts zu beschönigen oder zu beschwichtigen: „Wir müssen uns zu Recht fragen lassen, warum Bistumsverantwortliche dem Schutz der Täter und der Institution Kirche Vorrang eingeräumt haben vor dem Schutz der Betroffenen und vor der Fürsorge für die Betroffenen des Missbrauchs.“ Priester, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurden, seien häufig einfach versetzt worden – die Kirche habe den Mantel des Schweigens über ihre Taten gedeckt und Betroffene vernachlässigt. „ Die Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen müssen im Vordergrund stehen – ohne falsche Rücksichtnahme gegenüber dem Täter oder dem Ansehen der Kirche.“ Die Aufarbeitung der Verbrechen bleibe eine Herausforderung, auch wenn erste Schritte bereits getan worden seien: Die seit 2002 existierenden Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz zum Umgang mit sexuellem Missbrauch wurden weiterentwickelt; in Trier hat Bischof Ackermann eine Rahmenordnung "Prävention" verbindlich erlassen. „Wir wollen uns dafür einsetzen, dass weder Missbrauch noch Vertuschung wieder passieren.“ Dabei sei man auch darauf angewiesen, dass Betroffene sich melden – für den Erstkontakt gebe es unabhängige, psychologisch geschulte Gesprächspartner, die auch eine Brücke zur Bistumsleitung schlagen könnten.
Dorothee Lappehsen-Lengler, die 2010 bis 2012 die Hotline der Deutschen Bischofskonferenz für Opfer sexuellen Missbrauchs geleitet hatte, wies auf das aktuell wieder geschaltete telefonische und Online-Beratungsangebot der Deutschen Bischofskonferenz hin. Dort können Menschen mit Beratungsbedarf Experten erreichen.
Im Internet sind unter: www.hilfe-nach-missbrauch.de Beratungsangebote gelistet.
Die Hotline ist unter Tel.: 0800-0005640 von 14 bis 20 Uhr täglich bis voraussichtlich Freitag, 28. September, zu erreichen.
Die Psychotherapeutin gab ebenfalls Einblick in die Arbeit mit traumatisierten Minderjährigen und Erwachsenen. Sie berichtete unter anderem von den Folgen sexuellen Missbrauchs für die Betroffenen. Die katholische Kirche brauche eine opferorientierte Haltung: Man müsse realisieren, dass sexueller Missbrauch ein Verbrechen an Minderjährigen und eine Kindeswohlgefährdung sei und Täter für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ungeeignet seien. Zweitens müsse „ein Hilfssystem von Schutz, Erholung und Heilung greifen“.
Dr. Andreas Zimmer, Präventionsbeauftragter im Bistum Trier, gab einen Überblick über die im Bistum Trier in den letzten Jahren schon implementierte Präventionsarbeit. 18.000 hauptamtliche Mitarbeitende und Kleriker seien bereits geschult worden, darunter pastorale Mitarbeitende, Lehrer, Beratungsfachkräfte der Lebensberatungen, Personal der katholischen Jugendverbände und im Caritasbereich, den Einrichtungen des Gesundheitswesens, und in der Jugend- und Altenhilfe. Davon waren 389 Priester, 127 Diakone und 461 pastorale Mitarbeitende. Hinzu komme die Schulung von Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit, spezielle Schulungen für leitende Angestellte und Pfarrer.
Inhalt der Schulungen ist es, das Feld sexualisierter Gewalt besser zu verstehen, Täterstrategien zu erkennen und Folgen für Betroffene einzuschätzen und Reaktionsweisen kennenzulernen. Eine neue Kultur der Achtsamkeit zu etablieren – das sei Ziel der Präventionsarbeit. Dazu entwickle man für die Einrichtungen möglichst maßgeschneiderte institutionelle Schutzkonzepte. Das beginne schon bei der Personalauswahl und der Einstellung, bei der ein erweitertes Führungszeugnis Pflicht sei. In den Bereichen Schule, Beratung und Jugend seien verbindliche Verhaltenscodizes partizipativ erarbeitet und in Kraft gesetzt worden. Wichtig sei auch die Vernetzung mit kriminalpräventiven Projekten der Polizei und Fachberatungsstellen sowie Betroffenen.

Quelle BIP