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15.07.2023

Vor 74 Jahren ereignete sich die Explosionskatastrophe auf dem Prümer Kalvarienberg und forderte 12 Tote und 60 Verletzte - mit Zeitungsausschnitten und Fotos

Prüm (boß) Der »Schwarze Freitag« von Prüm wird unvergessen bleiben. Vor 74 Jahren, am 15. Juli 1949 gegen 20.20 Uhr, explodierten im Stollensystem auf dem 569 m hohen Kalvarienberg 500 Tonnen Sprengmunition.

Sie verwandelten innerhalb von Sekunden die nach Kriegszerstörung im Aufbau befindliche Stadt in ein Trümmerfeld. Traurige Bilanz: 12 Tote, 60 Verletzte, 237 zerstörte bzw. beschädigte Häuser und rund 1000 Obdachlose.
Das tragische Ereignis brachte das Eifelstädtchen europaweit in die Schlagzeilen der Medien Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen. Nicht auszudenken jedoch, was passiert wäre, wenn die örtliche Gendarmerie nicht vorausschauend beim ersten Anzeichen eines Stollenbrandes ca. eine Stunde vor der großen Explosion die Bevölkerung gewarnt und die Stadt rechtzeitig evakuiert hätte. Allerdings kamen nicht alle der Aufforderung zur Räumung nach.
Sage und schreibe 250 000 cbm Schuttmassen wurden in die Luft geschleudert und verdunkelten die Stadt für 20 Minuten. Feinster Staub ging noch in der 20 Kilometer entfernten Stadt Gerolstein nieder. Die Detonation wurde sogar in Trier und Koblenz gehört, und die Erdbebenwarte in Stuttgart registrierte die Erschütterungen.
Die Katastrophe von Prüm hatte eine große Hilfswelle in der gesamten Region und im benachbarten Belgien und Luxemburg ausgelöst. Insgesamt 3,7 Mio. Mark wurden an die Geschädigten ausgezahlt, die teilweise Hab und Gut verloren hatten und vor dem Nichts standen. Dies geschah nur vier Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, wo unter der Bevölkerung noch große Armut herrschte, die Stadt im Wiederaufbau war und die Wunden noch nicht verheilt waren. 
Die Toten wurden durch ein Staatsbegräbnis mit dem Trierer Erzbischof Dr. Franz Rudolf Bornewasser und dem damaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Peter Altmeier geehrt.
Ob der Vorfall in dem französischen Munitionsbunker ein Unglücksfall oder Sabotage war, ist bis zum heutigen Tage nicht geklärt. Seinerzeit wurde der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping bei einem Besuch in Prüm gebeten, dem ungelösten Fall in Frankreich nachzugehen. Auch diese Recherchen auf höchster Ebene verliefen ohne greifbares Ergebnis. Schon lange vor der Katastrophe hatten die Einwohner und Behörden von Prüm bei der französischen Besatzungsmacht reklamiert, dass die Lagerung von über 500 Tonnen Sprengstoff eine große Gefahr für die Bevölkerung bedeute.
Die beiden 100 und 60 Meter langen und 4,30 Meter breiten, zusammenhängenden Stollen waren 1939 für den Westwall gebaut worden. Nach Kriegsende wurde hier Sprengstoff eingelagert, um die Westwall-Bunker im Grenzland wieder zu sprengen.
Über dem großen und teils bewachsenen Krater erhebt sich heute ein hohes steinernes Mahnkreuz mit der Aufschrift »Diene der Versöhnung und dem Frieden - zur Erinnerung an die Explosionskatastrophe am 15. Juli 1949«.
Mittlerweile hat sich der Prümer Kalvarienberg mit einem Krankenhaus, einem Begräbniswald, einem Kreuzweg mit Kapelle und einer Parkanlage mit Kinderspielplatz in der 6.000 Einwohner großen Waldstadt zu einem Ort der Ruhe und Besinnung entwickelt.

Heinz Günter Boßmann


Fotoarchiv Langzauner: Teilansicht Krater auf dem Kalvarienberg nach der Explosionskatastrophe


Foto Jana Bierther: 73 Jahre später ist das Riesenloch fast zugewachsen

Der Kalvarienberg erinnert sich: Auszug und Ergänzungen aus einer Hinweistafel auf dem Kalvarienberg
„Ja, die Explosionskatastrophe hat ein großes Loch aus mir herausgerissen. Einer der größten von Menschenhand verursachten Krater ist in mir entstanden.
Es begann alles Anfang des zweiten Weltkrieges 1939. Im Zuge des Westwallbaus wurden zwei 60 und 100 Meter lange Stollen rund 30 Meter tief unter meinem Gipfel gebohrt. 
Ab 1947 hatte man hier unter der französischen Besatzung 500 Tonnen Sprengstoff gelagert, mit denen die Reste des Westwalls zerstört werden sollten.
Insbesondere den Prümer Bürgern war es bewusst, da sie täglich die Transporte miterlebten, dass bei einem Feuer hier eine Katastrophe ausbrechen würde. Die Sicherheitskräfte waren im Unterbewussten darauf vorbereitet.
Und so kam es dann auch am 15. Juli 1949. Um genau 18.20 Uhr bemerkte ein Wachmann Qualm aus einem Luftschacht. Kurz darauf hallte das Brandglöckchen durch die Abteistadt. Löschversuche der Feuerwehr scheiterten, und schließlich wurden die Wehrkräfte rechtzeitig vor der Detonation abgezogen.
Der größte Teil der Bevölkerung konnte evakuiert werden.
Um 20.20 Uhr war es soweit. Eine gewaltige Detonation erschütterte mich bis ins Mark. Es war, als breche die Hölle auf mit ohrenbetäubendem Krachen. Eine etwa 2.000 Meter hohe, pilzförmige Feuer- und Staubsäule stieg über mir empor. 250.000 cbm Steine, Erde und Bautrümmer wurden aus mir herausgerissen und hagelten auf Prüm hinab. Minutenlang war es finster um mich. Und an keinem Baum war mehr ein Blatt zu sehen.
Bis heute ist die Wunde auf meinem Haupte nicht verheilt. Ich bin mittlerweile zugewachsen, so dass man das Ausmaß des Kraters nicht mehr sehen kann. Über mir wacht ein Basaltkreuz, das zu Frieden und Versöhnung aufruft.“

Fotogalerie

             
Foto Fredy Lange             Archiv Roland Münz         Archiv Monika Rolef

            
Archivfotos Monika Rolef                                       Archiv Faas

Privatarchiv Jens Sternkopf:
Die Rhein-Zeitung berichtete am Montag, dem 18. Juli 1949, mit großen Lettern über zwei Seiten von der Katastrophe in Prüm