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09.04.2018

Großbrand mit vier Toten am 03.12.2017 in Saarbrücken - Anklage wegen Brandstiftung erhoben

Saarbrücken (red/boß) Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat Anklage wegen Brandstiftung mit Todesfolge nach dem Großbrand vom 03.12.2017 in Saarbrücken gegen eine 38-jährige Tatverdächtige erhoben.

Weitere Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen Hauseigentümer, Verantwortliche der Bauaufsichtsbehörde, früheren Bauherrn und Architekten wurden eingeleitet.
Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat mit Anklageschrift vom 05.04.2018 gegen eine 38-jährige Frau aus Saarbrücken Anklage zum  Landgericht Saarbrücken – Schwurgericht  -  erhoben.  Ihr  wird zur Last gelegt, vorsätzlich ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört zu haben. Durch die Brandstiftung habe sie wenigstens leichtfertig den Tod anderer Menschen verursacht.
Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeschuldigten im Wesentlichen Folgendes vor: Die Angeschuldigte hatte in dem Anwesen Saaruferstraße 13 in Alt-Saarbrücken ein Einzimmerappartement im ersten Stockwerk unmittelbar am Treppenhaus gemietet.  Es handelt sich um ein Wohn- und Geschäftshaus, welches 1965 errichtet worden war, mit einem Restaurant und einer Sauna im Erdgeschoss und weiteren 6 Stockwerken mit 42  Kleinwohnungen in den Obergeschossen. Die einzelnen Stockwerke sind durch einen Aufzug sowie ein Treppenhaus miteinander verbunden.
Am Sonntagmorgen, den 3. Dezember 2017, soll  die betäubungsmittelabhängige Angeschuldigte alkoholische Getränke und außerdem Amphetamin, Designeramphetamine, Benzodiazepine und Cannabis in nicht bekannten Mengen konsumiert haben. Sie soll seit dem 16. Lebensjahr an Polytoxikomanie und drogeninduzierten Psychosen leiden. Kurz nach 13.00 Uhr soll sie in ihrem Zimmer im Bereich ihres Bettes Feuer gelegt haben, weil sie ihr Zimmer abbrennen lassen wollte. Nach der Brandlegung soll sie  gegen 13:12 Uhr ihr Zimmer verlassen haben, wobei sie die Abschlusstür der Wohnung offenstehen ließ, so dass das von ihr gelegte Feuer einen ausreichenden Luftzug erhielt und sich die Rauchgase im Haus durch das Treppenhaus ausbreiten konnten. Nach kurzer Zeit soll es, wie von ihr beabsichtigt, lichterloh mit starker Entwicklung von Rauchgasen gebrannt haben, die durch das Treppenhaus zogen. In dem Haus hielten sich zu diesem Zeitpunkt 24 Personen auf. Der Angeschuldigten soll bewusst gewesen sein, dass sich am Sonntagmittag weitere Bewohner in dem von ihr angesteckten Gebäude befanden. Sie selbst soll das Gebäude nach der Brandlegung unter Mitnahme von Ersatzbekleidung schnellen Schrittes verlassen haben. In dem Appartement der Angeschuldigten verbrannten die Wohnungseingangstür, die hölzerne Deckenverkleidung im Wohnzimmer und im Bad,  die Wandverkleidungen, das Fenster und das auf dem Boden liegende Laminat, außerdem ein Teil der Wohnungseinrichtung. Bereits gegen 13:20 Uhr zogen durch das Treppenhaus des Anwesens massive Rauchschwaden, weil sich das Schadensfeuer ausgebreitet hatte.
Vier Mitbewohner des Hauses atmeten die Gase ein und starben an einer Vergiftung durch Rauchgase und Kohlenmonoxid. Der Mitbewohner J., geboren am 01.02.1971, wollte seine Wohnung Nr. 503 in der fünften Etage durch das verqualmte Treppenhaus verlassen und verstarb an den Rauchgasen auf der Treppe zwischen dem 4. und 5. Obergeschoss. Der  K., geboren am 26.09.1948, erstickte in seiner Wohnung Nr. 409 im 4. Obergeschoss an den Rauchgasen. Auf die gleiche Weise kamen  in Zimmer 401 in der vierten Etage der P., geboren am 18.09.1947, und in Zimmer 309, dritte Etage, der C., geboren am 14.09.1988,  ums Leben. Da er sein Leben retten wollte, sprang der Mitbewohner R. aus seinem Zimmer im dritten Obergeschoss auf das Dach des Restaurants. Hierbei verletzte er sich schwer und brach sich mehrere Knochen, unter anderem das Hüftgelenk, den Schenkelhals, den Unterarm und das Schambein. Weiterhin erlitten die Mitbewohner  T.,  E.,  W., L., M., A., K., P., V., B. und D.  Verletzungen durch die Rauchgase.
Bei den Rettungsarbeiten wurden die Feuerwehrleute B.,  Bl. und  W. durch Rauchgasvergiftungen leicht, der Feuerwehrmann K., der vier Tage in stationärer Krankenhausbehandlung und neun Tage arbeitsunfähig war,  schwer verletzt. Im Löscheinsatz waren etwa 100 Feuerwehrleute, 23 Kräfte des Malteser Hilfsdienstes, 31 Polizeibeamte, 3 Ordnungskräfte und 16 Rettungskräfte. Die Bewohner mussten aus dem brennenden Gebäude über Feuerwehrleitern evakuiert werden.
An dem Gebäude entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 500.000 Euro.  Die oberen Etagen und das Treppenhaus wurden bei dem Brand verrußt; das Haus war nicht mehr bewohnbar.
Der  Angeschuldigten hätte sich aufdrängen müssen, dass ein Schadensfeuer in einem Wohnhaus mit zahlreichen Mitbewohnern sehr gefährlich ist und zum Tod von Mitbewohnern und Besuchern führen kann.

Die ledige Angeschuldigte, Mutter von drei Kindern, verfügt nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung; sie ging zum Tatzeitpunkt keiner Beschäftigung nach. Strafrechtlich ist sie insbesondere im Bereich der Vermögensdelikte  bereits mehrfach in Erscheinung getreten und auch zu  - wenngleich kurzen – Freiheitsstrafen verurteilt worden.
Die Angeschuldigte, die sich seit dem 04.12.2017 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Saarbrücken in der JVA Zweibrücken in Untersuchungshaft befindet, war am Abend des Brandes gegen 22:15 Uhr am Brandort erschienen und  erklärte wiederholt, auch nach Belehrung über ihre Rechte als Beschuldigte, sie sei es gewesen, sie habe heute Mittag in ihrer Wohnung das Kopfkissen angezündet und dabei Feuerzeugbenzin verwendet.  Ein Atemalkoholtest am Tattag gegen 22:34 Uhr ergab einen Atemalkoholgehalt von 1,86 o/oo, die um 23:14 Uhr entnommene Blutprobe 1,58 o/oo, die zweite Blutprobe um 23:44 1,49 o/oo. Im Schriftsatz ihres Verteidigers hat sie sich ergänzend dahingehend eingelassen, dass sie am Tattag neben Alkohol auch Amphetamin konsumiert habe, wie sie dies auch an den Vortagen getan habe. Sie habe zunächst ihr Zimmer demoliert, da sie die Kommentare anderer nicht mehr habe hören wollen. Sie habe mit dem bisherigen Leben Schluss machen wollen, sie habe ihr Zimmer zerstören wollen, nicht jedoch den Tod anderer Menschen beabsichtigt. Hierüber sei sie vollkommen erschüttert.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeschuldigte einen Hang haben könnte, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen und die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird oder dass eine Gesamtwürdigung ihrer Person oder ihrer Tat ergibt, dass von ihr infolge ihres Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.  Daher wird die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus im Rahmen der Hauptverhandlung zu prüfen sein. Bisher hat die Angeschuldigte mitteilen lassen, dass sie die Mitwirkung an einer diesbezüglichen Exploration ablehne.

In dem Anwesen wurden von dem Sachverständigen S. Verstöße gegen die Brandschutzvorschriften der Landesbauordnung festgestellt. Es fehle eine Rauchableitungsöffnung für das Treppenhaus. Außerdem seien die Abschlusstüren der Flure zu den einzelnen Wohngeschossen defekt gewesen, durch abgestellte Sachen blockiert oder ohne den vorgeschriebenen Schließmechanismus gewesen. Dadurch sei die Ausbreitung des Rauchs stark begünstigt worden.
Durch gesonderte Verfügung vom 05.04.2018 wurde daher seitens der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den Hauseigentümer und gegen die gegenwärtig noch unbekannten Verantwortlichen der Bauaufsichtsbehörde, frühere Bauherren und  Architekten wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet. Die diesbezüglichen Ermittlungen dauern an.

Quelle Staatsanwaltschaft Saarbrücken