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22.09.2020

Neuauflage des Bands „Der Reporter“ von Jacques Berndorf - mit Interview

Das brutale Frühwerk des erfolgreichen Eifel-Krimi-Autors Jacques Berndorf entstand 1971 unter seinem wirklichen Namen - Michael Preute. Als erfolgreicher Illustrierten-Reporter mit nur 35 Jahren wusste er damals

schon ganz genau, worüber er schreibt. Kein Abgrund des Reporter-Berufes ist ihm fremd. Worum geht es in dem Buch?
Es hätte nicht viel gefehlt, und Paul Poggemann wäre endgültig unter die Räder gekommen. Er hat alles verloren. Seine Frau, seinen Beruf, den Glauben an sein Talent. Im Keller eines Mietshauses verkriecht er sich und zieht Resümee. Er weiß, dass er nur weiterleben kann, wenn es ihm gelingt, seine schrecklichen Erinnerungen zu verarbeiten. Und so macht er das, was er kann: Er haut die Gedanken an die irrsinnigen Tage seiner Reporter-Tätigkeit in die Schreibmaschine. Erinnerungen an ein Leben voller Hetze, voller Brutalität und voller Alkohol. Ein Leben, in denen er über Flugzeugabstürze, bestochene Regierungsräte und besudelte Kinderleichen berichtete, bei dem kein Weg zu weit und kein Spiel zu schmutzig war, um an Informationen zu kommen.
Ein Leben auf Abruf, ohne Ruhepause, eins, das man nur im Suff halbwegs ertragen kann. Doch Poggemann hat noch eine kleine Tochter. Und diese Tatsache ist der letzte Rest an Hoffnung auf eine Art Zukunft, der ihm überhaupt noch geblieben ist.
Zum Autor: Jacques Berndorf ist das Pseudonym des 1939 in Duisburg geborenen Journalisten, Sachbuch- und Romanautors Michael Preute. Sein erster Eifel-Krimi, „Eifel-Blues“, erschien 1989. In den Folgejahren entwickelte sich daraus eine deutschlandweit überaus populäre Romanserie mit Berndorfs Hauptfigur, dem Journalisten Siggi Baumeister. Er avancierte auch zum erfolgreichsten deutschen Kriminalschriftsteller mit mehrfacher Millionen-Auflage.

Der Reporter
Jacques Berndorf
Taschenbuch, 300 Seiten
ISBN 978-3-95441-536-6
13,00 Euro (D)

Interview mit Jacques Berndorf zu „Der Reporter“

Frage: Der Roman „Der Reporter“ ist 1971 zum ersten Mal erschienen, Sie waren damals erst 35 Jahre alt. Waren Sie erschrocken, als sie jetzt nach der langen Zeit wieder hineingeguckt haben?

Berndorf: Ja, ziemlich. Da kommen zahllose Erinnerungen an ein früheres Leben zurück.

Die Hauptfigur Paul Poggemann ist Journalist, konsumiert Alkohol und lebt in München. Alles so, wie es sich beim Autor des Buchs damals auch darstellte.

Berndorf: Ja, das stimmt. Da ist sehr, sehr viel Tatsächlichkeit drin.

Wenn man als Leser der Eifelkrimis Siggi Baumeister kennt und dem Hauptdarsteller dieses Buchs begegnet, könnte man meinen, die eine Figur ist der Vorläufer des Anderen.

Berndorf: Ja, das könnte man durchaus so sehen.

In beiden steckt viel Michael Preute, beziehungsweise Jacques Berndorf.

Berndorf: Ich habe als Journalist und auch im Roman immer gern über die Dinge geschrieben, die ich kenne. Über Dinge, die um mich herum sind. Es gibt viele Parallelen zwischen mir, dem Poggemann und
dem Baumeister.

Sind die Fälle, die Poggemann recherchiert, reine Fiktion?

Berndorf: Oh nein, das waren alles reale Fälle. Natürlich für den Roman stark verfremdet.

Wo trennt man als Romanautor die Fiktion von der Realität?

Berndorf: Das habe ich nie überlegt. Das war immer intuitiv. Es gibt keine sehr bewusst gezogene Trennlinie. Ich habe halt sämtliche Zutaten benutzt, die mir so einfielen, oder die ich erlebt habe. Aber sehr bewusst war das alles nicht.

Das Buch beginnt zum Beispiel mit einem Flugzeugabsturz in den französischen Alpen. Der war auch real?

Berndorf: Oh ja, ich erinnere mich noch sehr genau. Es war 1966 am Mont Blanc. Es waren etwa 120 Reporter, die da im Winter in Chamonix standen. Und einer sagte: Warum gehen wir denn nicht einfach mal da rauf und gucken uns das aus der Nähe an. Und das wurde dann gemacht, und ich war dabei. Es war grauenhaft, schrecklich. Wrackteile, Metallstücke, Plastikverkleidungen, menschliche Körperteile… hier ein Arm, da ein Oberschenkel … Das war einer der Momente, in denen mich die Wirklichkeit meines Berufs einholte.

Von Flugzeugabstürzen über die Entdeckung von Altnazis bis zu brutalen Mordfällen reicht Poggemanns Bandbreite. Gab es bei Ihnen ein journalistisches Spezialgebiet, oder sagte man in den Redaktionen „Der Preute kann alles“?

Berndorf: Das weiß ich nicht, was man gesagt hat. Ich habe halt alles gemacht, was mich interessiert hat. Jedes Thema. Ziemlich rücksichtslos. Aber was man über mich gesagt hat, weiß ich nicht, und es hat mich ehrlich gesagt auch nicht wirklich interessiert.

Können Sie sich an alle Recherchen erinnern, die in dem Buch geschildert werden?

Berndorf: Nein, dazu war es wirklich zu viel.

Ein Kapitel widmet sich der Recherche eines Kindsmords in der Nähe von Trier. Da streifen Sie die Eifel. Gab es damals schon eine Verbindung zu Ihrer heutigen Heimat?

Berndorf: Ich hatte schon früh einen Bezug durch meinen Vater, weil er ein Mann war, der jedes Kraut mit lateinischem Namen kannte, und der dauernd in der Eifel war. Ich habe lebhafte Erinnerungen daran. Mit ihm hier durch die Gegend zu gehen, wo auch immer, das war wie eine Unterrichtsstunde in Latein.

Wenn Sie heute ein Buch über Ihr Leben als Journalist schreiben würde, wie würden Sie es anpacken?

Berndorf: Ich würde das erst gar nicht tun. Damals war das Alltäglichkeit, und die zu beschreiben, machte mir ganz einfach Spaß. Heute würde ich die meisten Punkte meiner damaligen Laufbahn als unerheblich bezeichnen, gar nicht wichtig. Es war nicht wichtig.

Aber Sie haben doch journalistisch Bemerkenswertes geleistet.

Berndorf: Ich weiß nicht, ob das so bemerkenswert war. Ich gehörte damals zu einer ziemlich großen Clique von Leuten, die mit einer neuen Form der Recherche vertraut gemacht wurden und die auch anwendeten. Die Spiegel-hafte, unglaublich präzise Umsetzung dessen, was man so erfuhr. Und man darf auch nicht vergessen, dass wir damals auch durchaus dreckig gearbeitet haben, mit Tricks, für die ich mich heute eher schäme.

Hadern Sie mit der Zeit? Denken Sie oft Sie hätten gerne etwas anderes gemacht?

Berndorf: Nein, tue ich nicht. Was mich wirklich interessiert hätte, wäre ein Studium gewesen, mit allem Drum und Dran. Dem habe ich tatsächlich lange nachgeweint. Das habe ich echt bedauert, dass ich das nicht gemacht habe. Aber nennenswerte Verluste sehe ich nicht. Ich habe über vierzig Bücher geschrieben! Meine Güte, das ist mir heute noch rätselhaft....

KBV Verlag