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17.12.2018

Landkreise und Dörfer zusammenlegen - Gutachten über Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz wird zurzeit heiß diskutiert

Mainz/Bitburg-Prüm/Daun (boß) Für große Verwirrung und Aufregung bei Politikern und Bürgern sorgte kürzlich die Medienveröffentlichung eines internen Gutachtens zur nächsten Stufe der Kommunalreform,

das von der rheinland-pfälzischen Landesregierung in Auftrag gegeben worden war.
Darin soll es einigen kreisfreien Städten, Landkreisen und Ortsgemeinden „an den Kragen gehen“. Hintergrund ist die Tatsache, dass Rheinland-Pfalz bundesweit die kleinteiligste kommunale Struktur aufweist und die letzte große Kommunalreform fast 50 Jahre zurück liegt. Allerdings sind die Wunden aus den damaligen Zusammenlegungen von Amtsverwaltungen, Landkreisen, Schulen, Polizeistationen und sonstigen Behörden immer noch nicht ganz verheilt.
Das heutige Gutachten, was zunächst nur als Diskussionsgrundlage für die Meinungsbildung gedacht war, will große kreisfreie Städte zusammenlegen, Landkreise wie zum Beispiel Bitburg-Prüm mit Daun oder Bernkastel-Wittlich mit Cochem Zell fusionieren und sogar den Bestand von kleinen Dörfern von 300 bis 600 Einwohnern auf den Prüfstand stellen.

Dazu Landrat Dr. Joachim Streit, Eifelkreis Bitburg-Prüm: „Ich sehe keinen Vorteil darin, den Eifelkreis Bitburg-Prüm und den Vulkaneifelkreis zusammenzulegen. Ein gemeinsamer Kreis hätte eine Fläche, die nahezu so groß wäre wie das gesamte Saarland. Einen Kampf für gleichwertige Lebensbedingungen auf dem Land würde das ins Absurde führen. Nach der Pfarreienreform, dem Wegfall von Bankfilialen und Arztpraxen wäre die Auflösung der Kreise eine weitere Schwächung der Infrastruktur im ländlichen Raum. Auch das alle Dörfer, die weniger als 300 Einwohner haben, fusionieren sollen, ist nicht sinnvoll. Denn besonders in kleinen Ortschaften engagieren sich die Menschen überdurchschnittlich ehrenamtlich. Durch erzwungene Fusionen steigt das Risiko, dass Bürger aus Protest extremistische Parteien wählen.“
Der Kreis Prüm mit seinerzeit nur 40.000 Einwohnern wurde 1970 dem Kreis Bitburg zugeschlagen, und zur Existenzsicherung des Kreises Daun kamen Orte an der Oberen Kyll um Stadtkyll und im Kylltal um Birresborn nach Daun, um damit 60.000 Einwohner zu erzielen.

Auch sein Kollege Landrat Heinz-Peter Thiel aus Daun wehrt sich mit aller Kraft gegen die neuen Pläne: „Seit 200 Jahren versorgen und gestalten Landkreise professionell Regionen. Interkommunal steuern wir im Vulkaneifelkreis in der Regionalentwicklung beispielgebend mit den Gemeinden der südlichen Nachbarkreise Cochem-Zell und Bernkastel-Wittlich intensiv unseren Lebens- und Wirtschaftsraum in der EU-Leaderregion Vulkaneifel. Dazu gehören auch der Masterplan im Natur- und UNESCO Global Geopark, Klimaschutzkonzepte oder im Bereich der Gründungsberatung "Gründen auf dem Land“ innerhalb der Wirtschaftsförderung. Überregional steuern wir ebenfalls in interkommunalen Kooperationen seit Jahrzehnten mit 10 Landkreisen Tourismus und Standortentwicklung, mit der ‚Trierer Runde‘ der Landräte mit dem Trierer OB gemeinsam unter anderem Themenschwerpunkte wie den Öffentlichen Nahverkehr, Bereiche wie Energie, Abfall oder Tierschutz“, so Thiel. „Falls uns weitere Synergien in der Aufgabenwahrnehmung entgangen sein sollten, bin ich auf Analysen „wer macht was?“ gespannt, bevor die Landesregierung „hier sehr gutes Porzellan zerschlägt“, was man „dann nicht mehr kitten kann“.
Der Vulkaneifelkreis als kleinster Landkreis in Rheinland-Pfalz hat erst kürzlich nach einem jahrelangen Kraftakt dafür gesorgt, dass sich die nach Prüm abtrünnige Verbandsgemeinde Obere Kyll letztlich mit Gerolstein und Hillesheim zu einer neuen Verbandsgemeinde Gerolstein mit 38 Gemeinden und über 30.000 Einwohnern zusammenschloss. Da neue Gebilde geht am 1.1.2019 an den Start. Als weitere Verbandsgemeinden haben in der Eifel in jüngster Zeit Bitburg und Kyllburg, Neuerburg und Irrel sowie Wittlich und Manderscheid fusioniert, so dass hier bereits große Verwaltungseinheiten entstanden sind. Gewundert hatte man sich allenthalben, dass die verhältnismäßig kleine Verbandsgemeinde Arzfeld mit rund 10.000 Einwohnern am Dreiländereck Deutschland-Belgien-Luxemburg von dem Fusionsfieber verschont blieb. 

Der Eifeler CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Schnieder aus Arzfeld gegenüber unserer Zeitung: "Die Kommunalreform kann nur gelingen, wenn die Menschen vor Ort mitgenommen und einbezogen werden. Die Landesregierung hat mit der Art und Weise der Vorstellung ihres Gutachtens leider das exakte Gegenteil hiervon erreicht. Die Vorschläge der Gutachter gehen gerade in der Eifel an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei. Die vorgeschlagene Zusammenlegung des Eifelkreises Bitburg-Prüm mit dem Vulkaneifelkreis ist nur ein Beispiel hierfür. Zudem verringern derartige Riesenlandkreise die Identifikation der Menschen mit ihrer Heimat, die aber gerade für ländliche Regionen von so immenser Bedeutung ist. Ich bezweifele auch, dass sich hierdurch pauschal Einsparungen und effizientere Verwaltungsstrukturen ergeben würden. Auch die zwangsweise Zusammenlegung kleiner Ortsgemeinden ist abzulehnen. Die CDU hat bereits früh vorgeschlagen, einen Ausbau der Interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) zu prüfen. Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung liegen hier enorme Potentiale versteckt, die Effizienzgewinne ohne die Zusammenlegung von Ortsgemeinden oder Landkreisen versprechen. Mit dem von der Landesregierung eingeschlagenen Weg ist und bleibt die Kommunalreform weiterhin Stückwerk, welches an der Lösung des eigentlichen Problems vorbeigeht."
Wie aus der Landesregierung zu hören war, soll alles freiwillig passieren und das „heiße Eisen“ wird wohl in dieser Legislaturperiode bis 2021 noch nicht angefasst. Wie ab dann die Regierungszusammensetzung aussieht und wie die Schwerpunkte gesetzt werden, bleibt abzuwarten.

Heinz-Günter Boßmann für die belgische Tageszeitung Eupener GrenzEcho