zurück 
03.12.2017

Abwarten ist (k)eine Kunst

Das Warten galt in früheren Zeiten nicht als Kunst. Die Adventszeit, das vorösterliche (Er-)warten oder das Herbeisehnen einer großen Familienfeier – das war doch eigentlich noch schöner als die Feste selbst.

„Vorfreude ist die schönste Freude“, sagt der Volksmund. Doch heute ist das wohl etwas anders geworden.
Der Frühling hält (meteorologisch) bereits am 1. März Einzug, wenn es in der Eifel durchaus noch kräftig „wintern“ kann. Durch diese gefühlte Vorverlegung blüht freilich kein Kirschbaum früher und die Sonne hat auch nicht mehr Kraft. Der (meteorologische) Herbstanfang  ist bereits am 1. September – kein Blatt fällt dadurch eher vom Baum und keine Bohne wird früher reif.
Bunte Eier gab es in früheren Zeiten ausschließlich an Ostern und in der folgenden Woche bis zum Kommunionsfest, das einmal „Rote Ostern“ genannt wurde. Heute gibt es gefärbte Eier durchweg das ganze Jahr, nur heißen sie nicht mehr „Ostereier“, sondern „Partyeier“. Eine durchaus geschickte Kaschierung!
Und jetzt Weihnachten! Wann fängt das Fest eigentlich heute an? Statt des 24. Dezember werden wir in Kaufhäusern schon ab Oktober mit Stuben-, Schnee- und Weihnachtsliedchen „beschallt“ – ein schrecklicher „Brauchtumsunfall“! Wer hätte etwas gegen Printen oder Spekulatius rund um’s Jahr? Keiner. Aber Schokoladen-Nikoläuse und Weihnachts-Dekor-Kitsch im frühen Herbst, das ist doch sehr gewöhnungsbedürftig. Eigentlich bräuchte es die Advents-Wartezeit auf das schöne Fest gar nicht mehr...
Brauchtumsfeste zu feiern ist heute eine Kunst, das geduldige und spannende Abwarten noch mehr.

Joachim Schröder