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22.07.2017

Vor 50 Jahren: Als die Koblenzer Straßenbahn zum letzten Mal fuhr - mit Fotogalerie

Koblenz (red/boß) Die Straßenbahn ist tot, es lebe der Omnibus: Das hieß es vor 50 Jahren in Koblenz. Da trat die elektrische Straßenbahn ihre allerletzte Fahrt an. Die alten Koblenzer werden sich noch mit etwas Wehmut erinnern:

wie sich ein mit Ehrengästen besetzter Straßenbahnwagen der Linie 2 von der Endhaltestelle Oberwerth in Richtung Hauptbahnhof in Bewegung setzte. Rechts und links teils fröhliche, teils wehmütig winkende Menschen.
Die KEVAG-Werkskapelle schmettert, Feuerwerkskörper und Sektkorken knallen, anschließend die bewegende Abschiedsfeier in der Rhein-Mosel-Halle. Die einen nennen sie kurz „die Elektrische“, die anderen liebevoll „Kowelenzer Wackelbahn“, und der Werkschor der der KEVAG singt zum Abschied: „Sein die Straße noch so krumm, se kohm um alle Ecke rum“. Mit dieser letzten Fahrt wird nach 68 Jahren das Kapitel „Elektrische Straßenbahn“ in Koblenz geschlossen.
1898 wurde das Kraftwerk am Koblenzer Schützenhof fertiggestellt, das fortan Koblenz und Umgebung mit elektrischem Strom versorgte. Wenige Monate später feierte die „Elektrisch“ Premiere: Am 17. Januar 1899 verkehrte die erste Straßenbahn auf der ehemaligen Pferdebahnlinie 2 zwischen Göbenplatz und Schützenplatz. Im August desselben Jahres wurde eine neue Linie vom Rheinbahnhof (Wöllershof) über die Pfaffendorfer Brücke zum Bahnhof Ehrenbreitstein eröffnet.
Bis zum Jahr 1910 erfolgte der systematische Ausbau des Streckennetzes; nach und nach entstanden Verbindungen zwischen Kapellen-Stolzenfels, Ehrenbreitstein, Arenberg, Horchheim, Moselweiß, Niederlahnstein, Bendorf, Sayn und Höhr. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 mussten viele Fahrer und Schaffner in den Krieg ziehen. Sie wurden durch Fahrerinnen und Schaffnerinnen ersetzt, die als Arbeitsmaiden bezeichnet wurden.
Die größte Ausdehnung hatte das Koblenzer Straßenbahnnetz im Jahr 1933 erreicht: 51,7 Kilometer umfasste es, bevor es während des Zweiten Weltkriegs arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Schwere Bombenangriffe zerstörten den Betriebshof völlig, sodass am 6. November 1944 der gesamte linksrheinische Straßenverkehr eingestellt werden musste. Auf den rechtsrheinischen Strecken konnte der Verkehr noch bis Februar 1945 aufrechterhalten werden. Danach ruhte der gesamte Verkehr bis zum 8. Juli 1945. Im März 1951 war der Wiederaufbau des Streckennetzes abgeschlossen.
Die ansteigende Motorisierung in den 60er-Jahren ging dann allerdings mit erheblichen Verkehrsproblemen in Koblenz einher. „Der Individualverkehr nahm immer mehr zu, jeder wollte mit seinem eigenen Auto in die Stadt“, stellt Hansjörg Kunz, Geschäftsführer der evm Verkehrs GmbH, fest. Immer lauter wurden damals die Stimmen, die die elektrische Straßenbahn als Verkehrsbehinderung sahen. Es war gewissermaßen der Anfang vom Ende der Straßenbahn in Koblenz: Immer mehr Linien wurden eingestellt, die Bahnen selbst waren überaltert, die Fahrgastzahlen gingen zurück, das Defizit stieg.
So kam es genau vor 50 Jahren zur Einstellung der „Elektrisch“, was allerdings nicht den Abschied vom elektrischen Antrieb bedeutete: Am 17. Juli 1941 wurde die erste Oberleitungsbus-Linie in Betrieb genommen – zwischen Vallendar und Höhr-Grenzhausen. Nach und nach begann damit die Umstellung von Straßenbahn auf den Obus, wie der elektrisch betriebene Bus in Kurzform genannt wurde. Doch auch er sollte nur eine begrenzte Daseinsberechtigung haben: Am 30. Oktober 1970 hatte der Oberleitungsbus in Koblenz seine endgültig letzte Fahrt, obwohl er seinerzeit schon etwas Besonderes war.

Der Geschäftsführer der evm Verkehrs GmbH, Hansjörg Kunz: „Heute suchen wir nach alternativen Antriebsmöglichkeiten, um völlig ohne lokale Emissionen fahren zu können.“ Dabei prüft die evm Verkehrs GmbH auch den Einsatz von Elektrobussen. Entscheidend sind für Kunz dabei die Faktoren Ladezeiten, Ladeinfrastruktur, Reichweite und Investitionshöhe. Derzeit entwickelt die Verkehrsgesellschaft der evm-Gruppe ein Pilotprojekt, um den Einsatz von Elektrobussen in der Praxis zu testen. Nach 50 Jahren könnte damit der elektrische Antrieb im öffentlichen Nahverkehr in Koblenz eine Renaissance erleben.

Quelle: evm Presse

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„Endhaltestelle Schützenhof“: Während des Ersten Weltkriegs waren Frauen als Fahrerinnen und Schaffnerinnen im Einsatz, weil männliche Kollegen Kriegsdienst leisten mussten.