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10.07.2017

6 Fragen an Montainbike-Weltmeisterin Lilian Pfluke - mit Fotos

Rockeskyll/Prüm (boß) Neben dem Tour-de-France-Teilnehmer Johannes Fröhlinger hat der Radsportclub (RSC) Prüm einen weiteren „Leuchtturm“ in seinen Reihen: die 58-jährige Amerikanerin Lilian Pfluke

kehrte noch im vergangenen Monat als Mountainbike-Weltmeisterin in ihrer Altersklasse Ü55 aus Andorra zurück.
Wenn man ihr beim Interview Auge in Auge gegenübersitzt, spürt man förmlich ihren Kampfgeist, ihre Disziplin und natürlich auch den Mut für die oft waghalsigen Strecken. Die frühere Soldatin hat sich nach vielen Stationen und einem fast 20-jährigen Paris-Aufenthalt vor drei Jahren bei ihrem Lebensgefährten Peter Bartlick im beschaulichen Rockeskyll bei Gerolstein niedergelassen. Und so schließt sich dann ein Kreis. War ihr Vater doch in den Jahren 1955/56 auf der Radarstation bei Prüm stationiert.
Lil ist nicht nur eine erfolgreiche Radfahrerin in allen Disziplinen, sondern auch eine studierte Maschinenbauingenieurin und eine Professorin für Mathematik an der Universität der US Air-Force Base in Spangdahlem. Und damit nicht genug: zudem ist sie eine Skilehrerin, eine Blindenausbilderin auf Ski und Rad, und springt auch noch aus luftiger Höhe mit dem Fallschirm in die Tiefe.

Fotogalerie

               

             

      
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Das Interview:

Input: Wie kamen Sie als Amerikanerin in die Eifel – sprich Rockeskyll als Wohnort und zum RSC Prüm als Verein?

Lilian Pfluke: Ich wurde 1959 in St. Louis/MO geboren, habe meine Kindheit in San Francisco verbracht und dort auch die Schule besucht.
1976 meldete ich zur US Army und absolvierte als eine der ersten 62 Frauen die United States Military Academy West Point, die Kaderschmiede der US-Army.
So kam ich danach, 1980, nach Deutschland, unter anderem nach Hanau. Beim Fallschirmspringen lernte ich damals meinen heutigen Lebensgefährten Peter Bartlick kennen.
Wir verloren uns aus den Augen und trafen uns durch einen Zufall vor vier Jahren wieder. Ich lebte zu der Zeit in Paris und war Mitglied im Sportverein „US-Metro“, auch einer der größten Radsportvereine in Paris. Außerdem unterrichtete ich an der „American School of Paris“. Peter und ich hatten eine Entscheidung zu treffen, wo wir leben wollten. In Paris oder in der Eifel?. Ich habe mich entschieden, in die Eifel zu Peter nach Rockeskyll zu ziehen, der Liebe wegen. Und ich fand hier nicht nur ausgezeichnete Trainingsmöglichkeiten im Radfahren (auch wenn das Eifelwetter diese häufig erschwert), sondern auch noch eine Anstellung als „Professor für Mathematik“ an der Universität - Außenstelle von Maryland - auf der US-Air Force Base in Spangdahlem.
Da ich für meine sportlichen Aktivitäten eine Lizenz brauchte, musste ich mir einen nationalen deutschen Verein suchen. Nach vielen Recherchen kam ich auf den RSC Prüm. Ein regionaler Verein mit vielen Aktivitäten und auch gemeinsamen Trainingsmöglichkeiten. Ich und auch Peter finden uns in dem Verein gut aufgenommen und tragen gerne und mit Stolz das Vereinstrikots.


Input: Was würden Sie als den bisher größten Erfolg in Ihrer Karriere bezeichnen?

Lil: Beruflich sicherlich meinen Abschluss als eine der ersten Frauen an der „United States Military Academy in West Point“ im Jahre 1980.
- Familiär bedeuten mir meine beiden Söhne sehr viel, die beide in den USA leben.
- Sportlich gibt es viele Dinge auf die ich gerne zurückblicke:
- Meine Fahrten mit meinen Söhnen quer durch Amerika (2006 von der Westküste zur Ostküste, 6000 Km in 52 Tagen, und 2008 von Canada nach Mexico durch die Rocky Mountains, 3000  Km in 19 Tagen),
- meinen Stundenweltrekord für Masters Frauen auf der Bahn in Manchester aus dem Jahre 2006 mit 41.2397 Km.
- Meine Mountainbiketouren im Himalaja: 2012 Basislager Mount Everest auf 5300 m Höhe und 2014 den höchsten zu befahrenden Pass mit 5600 m,
- meinen ersten Weltmeistertitel im Cyclocross (Querfeldein) in Gossau in der Schweiz aus dem Jahre 2015. Ich hatte 15 Jahre auf diesen Titel hingearbeitet und mich immer mit dem 2. oder 3. Platz zufrieden geben müssen. Ein besonderer Moment in meinem Leben, dieser erste Weltmeistertitel.

Input: Wie finanzieren Sie Ihren Sport – Haben sie Sponsoren oder zahlen Sie das aus eigenen Tasche?

Lil: In Paris wurde vieles über den Verein US-Metro bezahlt.
Der RSC Prüm bezahlt mir einen Teil der Startgelder.
Alle anderen Kosten, Startgelder, Trikots und Reisen zahle ich selbst.
Als Leistungssportlerin bekomme ich einiges bei manchen Firmen günstiger.

Input: Ist Ihr Lebensgefährte Peter Bartlick Ihr Manager oder fährt er selbst aktiv Rad?

Lil: Peter hat durch mich vor 4 Jahren, da war er 66 Jahre alt, erstmal gelernt auf einem Rennrad zu sitzen. So ist er dann auch bei der ersten Fahrt zu uns nach Haus in Rockeskyll (Serpentinen mit 18 % in der letzten Kurve) einfach vom Rad gefallen, weil er keine Kondition hatte und nicht so schnell aus den Klickpedalen raus kam. Ihm ging das so wie vielen anderen Anfängern auf dem Rennrad, da gehört das Umfallen einfach dazu.
Vor 2 Jahren haben wir es gemeinsam geschafft, dass wir uns beide in einem Qualifikationsrennen in Dubai für die WM in Dänemark (jeweils als 2. in der Altersklasse) qualifizieren konnten.
Peter hat am Zeitlauf und am Straßenrennen teilgenommen. Trotz eines schweren Massensturzes im Straßenrennen hat er das als tolles Erlebnis empfunden.
Leider ist Peter seit mehr als acht Monaten auf Grund einer Erkrankung daran gehindert, regelmäßig zu trainieren und an Rennen teil zunehmen. So ist die Teilnahme am Rennen rund um Köln am 17.06.2017 auf der kurzen Strecke schon ein toller Erfolg.
Peter ist nicht mein Manager. Er ist derjenige, der mich betreut, der mir zur Seite steht, mir während der Rennen Informationen gibt über die Abstände zu Konkurrentinnen, mir Wasser reicht oder beim Cyclocross in den Runden die Räder wechselt, säubert und wieder bereit hält. Er ist nicht nur eine wichtige Hilfe, sondern mein Partner.


Input: Mountainbike-Fahren und Querfeldeinrennen kann ja sehr gefährlich sein – wie steht es um Ihre Verletzungsbilanz?

Lil:
Jede Sportart, die sich, wie viele andere, in oft unbekanntem Gelände, bewegt, ist nicht „gefährlich“, es sind einfach Sportarten mit Risikofaktoren. Ich hatte eigentlich Glück, dass ich über die ganzen Jahre noch nie einen wirklich schweren Unfall hatte. Mountainbike- und Querfeldeinrennen sind nicht nur konditionell herausfordernd, sondern auch technisch sehr anspruchsvoll. Beim Downhillrennen ist die Verletzungsgefahr wesentlich höher, denn da sind Gefälle bis zu 60 % , enge Passagen über Steine und Wurzeln in hoher Geschwindigkeit zu bewältigen. Steuerkunst und Mut sind da gefragt.
Meine Verletzung an der rechten Hand, diese ist insbesondere wichtig beim Mountainbike- und beim Downhillfahren, behindert mich schon sehr, denn das künstliche Gelenk an meinem Ringfinger, und die Beeinträchtigung dadurch am Mittelfinger, schränken meine Lenk- und Bremsfähigkeiten extrem ein.
Ich bin froh, dass ich trotz dieser Beeinträchtigung noch so gute Rennen abliefern kann, auch wenn so mancher schwerer Sturz ein besseres Ergebnis verhindert hat.

Input: Welche Träume haben Sie noch als Sportlerin – oder haben Sie alles erreicht, was Sie sich vorgenommen haben?

Lil: Träume als Leistungssportlerin hat man immer! Ich hoffe, dass ich meinen Sport auch noch die nächsten Jahre ausüben kann. Und dann, mit Aufstieg in die Altersklasse 60 – 65, kann ich hoffentlich noch mehr Erfolge einfahren. Da ich in allen Raddisziplinen (Straße, Mountainbike, Downhill, Cyclocross und Bahn) unterwegs bin, habe ich dort zwar große internationale Konkurrenz in den Einzeldisziplinen, doch ich fahre in allen Disziplinen auf hohem Niveau und rechne mir auch in Zukunft gute Chancen auf Podiumsplätze ein. So hoffe ich, dass ich, obwohl ich als Amerikanerin starte, weiterhin das Trikot des RSC Prüm weltweit zeigen kann.

Das Interview führte Heinz-Günter Boßmann